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Montag, 9. März 2015

1. Wie alles begann - Goodbye Switzerland!


Schon mal daran gedacht auszuwandern? Wenn mal wieder alles zu viel wird, das Wetter nur noch beschissen ist und einem die Decke auf den Kopf fällt? Das Gefühl von Ausgebrannt sein, innerer Leere, man kommt gar nicht mehr richtig in die Gänge und kann die Energiereserven nicht auftanken? Ich sehe, das kommt einigen von euch bekannt vor... Irgendwann war da bei mir nur noch ein Gedanke: es reicht! Nix wie weg!



Der Startschuss fiel...

Das Schicksal half diesem Vorhaben etwas nach, als vor 7 Jahren mein Ex-Mann (ja wir waren zu dem Zeitpunkt schon seit vielen Jahren getrennt und sind dann irgendwann auch mal geschieden worden) starb und eine monatlich Witwen- und Halbwaisenrente regelmässig auf mein Konto floss. Mein erster Gedanke: das Leben ist gerecht! Nicht, dass ich ihm nicht ein langes und glückliches Leben gegönnt hätte - Gott bewahre – aber, dass ich jetzt für alles entschädigt wurde, fand ich klasse! Hinterbliebenenrenten sind ‛ne tolle Sache!

Im März 2013 standen wir dann endlich mit gepackten Koffern am Flughafen Frankfurt.



Bin ich mutig? Keinesfalls...

Und nun war ich tatsächlich angekommen: in Trinidad und Tobago. Mit mir mein jüngstes Töchterlein, im stark pubertierenden Alter von 12 Jahren. Vier grosse und zwei kleine Koffer, bildeten den spärlichen Rest unserer Habe.

Bekannte und Freunde fanden mein Vorhaben sehr mutig. Aber ehrlich Leute, ist es nicht viel mutiger in der Schweiz oder im restlichen Europa zu bleiben, mit dem Wissen, dass die Rente irgendwann sowieso nicht reichen wird, obwohl man immer gearbeitet hat? Alleine in irgendeiner Wohnung zu verschimmeln, weil die Kinder ihr eigenes Leben führen, was natürlich deren unbestrittenes Recht ist? Aber was ist das denn für ein Leben? Nein, danke! Nicht für mich!
Man verzeihe mir, dass ich mit 49 noch nicht mit dem Leben abgeschlossen und mich in mein Schicksal gefügt hatte. Das kann nämlich noch nicht alles gewesen sein, da kommt noch was, da war und bin ich mir immer noch sicher!



Mobil muss man sein...

Unsere erste Bleibe: ein von mir per Internet angemietete Ferienhaus am Stadtrand, 100 m von der Mall und einem Supermarkt entfernt. Ideal! Von dort aus ergatterte ich einen kleinen Gebrauchtwagen – viel zu teuer für meinen Geschmack aber Autos kosten hier das doppelte und mehr, als wir es von der Schweiz gewohnt sind zu bezahlen - und ein tolles Häuschen direkt zwischen City und dem schönsten Strand, den Trinidad zu bieten hat: Maracas! Ein Haus auf einem Felsen, denn die Vorstellung, nachts von einer Flut überrascht zu werden, machte mich seit den schrecklichen Bildern des Tsunamis von 2004 schon recht nervös.


Linksverkehr...

Eine recht grosse Challenge kam dann ja erst noch: das so teuer erworbene Fahrzeug hier auch zu fahren. Es herrscht nämlich Linksverkehr, der Fahrer sitzt also rechts. Mein schadenfrohes Töchterlein fing immer an zu kichern, wenn ich mal wieder beim Abbiegen den Blinker mit dem Scheibenwischer verwechselte. Sah wahrscheinlich auch zu blöde aus, wenn ich sie mit laufenden Scheibenwischern, bei strahlendstem Sonnenschein und 33°C, vor der Schule absetzte. Als Reaktionstest sorgen schlaglochdurchzogene Strassen dafür, dass man beim versehentlichen Hineinfahren durchaus mit einem Achsenbruch rechnen darf, na oder zumindest mit einem Platten. Überholt wird kreuz und quer, rechts und links – Verkehrsregeln gibt es zwar, diese scheinen jedoch noch nicht im Bewusstsein des Auto-Endverbrauchers angekommen zu sein. Und ich mit meinem Kleinwagen, welcher hier sowieso nur müde belächelt wird - fährt hier der weisse Ausländer, der was auf sich hält doch eher Protzkarre oder Pick-up - mitten im Strassenverkehrs-Kriegsgebiet! Täglich um 7 Uhr morgens musste Töchterlein in die 10 km entfernte Internationale Privatschule gebracht werden, um 14 Uhr durfte ich sie wieder abholen. Dieses Kindertransportprogramm ist hier so üblich. Somit wusste ich bereits morgens um 8 Uhr, nachdem ich anfänglich angstschweissgebadet wieder zu Hause ankam, was ich geleistet hatte.



Fortbewegung auf den Inseln...

Ohne eigenes Fahrzeug geht hier gar nichts. Öffentliches Verkehrsnetz – Fehlanzeige! Maxi- und PKW-Taxis sowie Privatwagen, welche versicherungsschutzfrei auch Personen befördern, können an den Haupstrassen mit Handzeichen angehalten werden. Der Zugverkehr wurde in den 60ern eingestellt.

Das Gute an der „Sache Auto“: mit 15 US$ tanke ich voll, der Service mit Ölwechsel kostet 80, die jährliche Autoversicherung 190 USD, Steuern zahlt man einmalig bei der Zulassung mit 10% vom Fahrzeugpreis. Schlagende Argumente, die zum Selbstfahren animieren!


Mögliche Problematiken:

1.    Führerschein
Man darf 90 Tage mit dem Ausländischen, gekoppelt mit dem Internationalen Führerschein, hier selbst fahren. Danach wird’s kritisch, da muss das Dokument nämlich umgeschrieben werden und das geht nur mit gültigem Aufenthaltstitel, sprich Work Permit, Studenten Permit oder ähnlichem. Man muss dann auf der Zulassungsstelle die schriftliche Fahrprüfung ablegen. Ist easy und jede Menge Fehler erlaubt.
Gelingt es einem nicht innert 90 Tagen einen Aufenthaltstitel zu erhalten, muss man den Führerschein komplett neu machen.

2.    Aufenthalt
Bei der Einreise (Rückflugticket oder Security-Deposit ist unumgänglich) gibt’s 90 Tage. Will man verlängern wird’s kompliziert und zwar so kompliziert, dass ich danach schon fast im Flieger zurück sass. Man kann sich das ähnlich, wie in den USA vorstellen. Am ehesten klappt’s mit einer eigenen Firma.

Traut keinem Polizisten und keinem Anwalt. Die Gefahr, dass einem Quatsch erzählt oder man einfach nur angelogen wird, ist hoch. Ohne gutes Beziehungsnetz geht hier, wie fast überall, gar nichts.

3.    Jobs
Die Barrieren sind sehr hoch und der Amtsweg für ein Workpermit kompliziert. Wie fast überall sollen zuerst die Nationals eingestellt werden. Wer hier noch nicht längere Zeit lebt und keine Erfahrung mit der Arbeitsweise in der Karibik hat, könnte an der trägen Lässigkeit der Menschen verzweifeln.

4.    Preise
Es ist fast alles teurer als in der Schweiz! Budget gut berechnen!
Die internationalen Privatschulen für die Kids kosten zwischen 800 und 1'500 US$ im Monat! Beim Eintritt des Kindes ist ebenso in eine Foundation einzubezahlen, das Geld gibt’s definitiv nicht zurück, egal, wie lange die Kinder bleiben. Beträge: von 4'000 US$ aufwärts, also keine Kleinigkeit! Und Schulbusse stehen nicht zur Verfügung, somit muss immer jemand als Chauffeur zur Verfügung stehen. Ich war täglich 1.5 – 2 Stunden nur im Auto, um Töchterchen in die Schule zu fahren und abzuholen. Schulmaterial muss man selbst organisieren und bezahlen. Es gibt hierfür eine Liste pro Schuljahr.





5.    Kriminalitätsrate
Die ist hier sehr hoch. Allerdings ist das hauptsächlich Drogenkriminalität, die bringen sich meist gegenseitig um. Wenn man nicht unbedingt des Nachts in einsamen Gassen rumschleicht oder sich an Orte begibt, vor denen ausdrücklich gewarnt wird, ist man relativ sicher.
Wir weissen Ausländer wohnen in gated Communities, was man sich leisten können muss. Da bezahlt man für eine 2-3 Bedroom Appartement oder Haus schon mal gerne 1'600 – 2'000 US$ zuzüglich Strom und das sind die günstigeren Preise. Downpayment von min. einer Monatsmiete ist üblich.

6.    Autokauf
Autos sind hier schweineteuer. Man kann vom 2-3-fachen Deutschen oder Schweizer Gebrauchtwagenpreis ausgehen. Selbst importieren nutzt auch nichts, da eine riesige Einfuhrsteuer bezahlt werden muss, die die Autos eben so teuer werden lässt. Dementsprechend wird hier alles so lange als möglich immer wieder zusammengeflickt - es sind haufenweise Schrottmühlen unterwegs.



Was it worth it?


Morgens gegen 6 Uhr, wenn der Tag erwacht und ich die Balkontüre öffne, jeden Ton der vielfältigen, stimmgewaltigen und farbenprächtigen Vogelwelt der Insel in mir aufsauge, auf das Grün der Hügel blicke, mit offenen Fenstern die schmalen Strässchen durchs Grün des Regenwalds nach Maracas Bay flitze, mein Asthma vergessend, ganz tief Luft holen kann und freundliche, offene Menschen mich bedingungslos akzeptieren – ja, das genügt mir, um mich hier zu Hause zu fühlen.

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