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Montag, 9. März 2015

2. Rastaman - oder wie man sich selbst ein Bein stellt

So, da sitze ich nun in meinem Schlafzimmer und beobachte Rastaman, der mein Auto wäscht, auf dem Monitor der Überwachungskameras, anstatt wie geplant im Fitnesscenter outzuworken... Wie habe ich mich da schon wieder hineinmanövriert?

Wie alles anfing...

Auf meinem Balkon sitzend, meine Zeit wie meistens morgens am Notebook mit schnöder Arbeit vertreibend, hörte ich plötzlich ein Rufen aus meinem Vorgarten: „Good morning Mam!“ Als ich aufblickte sah ich einen Rastaman schon etwas fortgeschrittenen Alters, der zu mir aufblickte. „Any work for me Mam?“ fragte er und mir wurde klar, dass es einer jener Männer war, die ihre Dienste günstig bei Privatleuten anbieten, um über die Runden zu kommen. Im Allgemeinen sind diese sehr bemüht, Arbeiten, welche man ihnen überträgt, auch ordentlich auszuführen. Ordentlich? Ok, was man hier in Trinidad und Tobago halt so darunter verstehen mag...

Diese Leute haben natürlich auch keine Möglichkeit Ihren Service mit dem anderer Länder zu vergleichen. Flugtickets sind für die meisten Menschen hier unerschwinglich und eine Reise in die USA oder womöglich sogar nach Europa, ein nicht zu realisierender Traum. Schade eigentlich, jeder sollte reisen können, das bildet und erweitert den Horizont ungemein. So einigen Mitmenschen würde das nicht unbedingt schaden und damit meine ich nicht unbedingt die Trinbagonians...

Da ich jedoch am nächsten Tag für vier Wochen nach Deutschland und in die Schweiz reisen wollte, um Familie und Kunden mal wieder zu nerven, fand ich nicht, dass es Sinn machte, Rastaman grade heute mein Auto waschen zu lassen, welches in der halboffenen Garage sowieso wieder schmutzig würde, bis ich zurück kam. Für den Garten sorgt ein Gärtner. So gab ich ihm ein kleines Trinkgeld und bat ihn, doch nach meiner Rückkehr an einem Samstag wieder zu kommen. Ein sauberes Auto schadet ja nie. Irgendwie finde ich auch, dass man Leute, die versuchen, sich mit Aushilfsjobs über Wasser zu halten und sich für keine Arbeiten zu schade sind, unbedingt unterstützen sollte, sofern es einem möglich ist.

Gesagt getan – „pünktlich“, nachdem ich bereits 6 Wochen wieder hier war, stand Rastaman erneut auf meinem Rasen – Mittwochs! Man hatte ihm unten im Supermarkt erzählt, dass ich wieder da sei.. „Ups“, dachte ich mir, „du bist hier bekannt!“ Ein gutes Gefühl, dass man nicht verloren gehen kann. Die wissen genau, wo man mich beim eventuellen Verlust meines Gedächtnisses abgeben müsste... Das gibt doch Sicherheit!

Rastaman hatte Hunger, also bekam er zwei Sandwichs und eine Cola. Die Autowäsche versprach ich ihm für einen der folgenden Samstage, wenn er mal wieder in der Gegend sei. Geld gab es diesmal aber keins.



Und er war in der Gegend!

Keine Ahnung, wie er es geschafft hatte, trotz geschlossenen Automatik-Tor, aufs Grundstück zu gelangen aber er war da. Direkt am ersten Samstagmorgen um 7.30 Uhr stand er auf der Matte.

Ich duschte gerade und wollte mich danach auf den Weg zum Fitnesscenter machen, als ich ihn hörte: „Good morning“ – „Good morning“ – „Good morning“ – bestimmt zwanzig mal rund ums ganze Haus. Menno, das passte mir jetzt aber überhaupt nicht, ich brauchte doch mein Auto! Was nun?

Ok, versuchen wir’s mal mit Ignorieren, der wird sicher irgendwann aufgeben! Aber auch nach 10 Minuten hörte er nicht auf zu rufen und weckte so meinen Untermieter Felix auf. Felix, halb verschlafen, war gerade auf dem Weg um die Türe zu öffnen, als ich ihn gerade noch rechtzeitig am T-Shirtzipfel erwischte und zurückhalten konnte. Ich sagte ihm, er solle Rastaman einfach erklären, dass ich nicht da sei. Ich verschwand derweil in mein Schlafzimmer im ersten Stock und beobachtet das Geschehen über die Überwachungskameras, aus sicherer Entfernung und fühlte mich irgendwie wie ein Schwein! Ein grosses!



Plötzlich sah ich, wie Felix mein Auto aus der Garage fuhr und Rastaman den Schlauch sowie den Eimer mit dem Autoputzzeug in die Hand drückte – und ich konnte nichts dagegen unternehmen, Mist! Dass Männer sich nicht mal an die einfachsten Anweisungen halten können, Meeeeensch!

Und nun hocke ich da - noch immer in meinem Schlafzimmer-Knast! Rastaman hat mit Hingabe über einen Stunde lang mein Auto gewienert, sich danach noch in aller Ruhe sein Velo vorgenommen und dann wurde sich noch ein entspannendes Päuschen auf meinem Gartenstuhl gegönnt, um an der nahen Steckdose das Handy aufzuladen.

Untermieter Felix hat heute Schule und sich deshalb bereits vor einer Weile verabschiedet. Er hat Rastaman bezahlt bevor er ging – Ordnung muss ja sein und ausserdem lag ja praktischerweise mein Portemonnaie in der Küche.

10 Uhr – er sitzt noch immer da draussen.

Und ich immer noch hier drin!

Warum das Ganze? Feigheit? Bequemlichkeit? Oder wollte ich ihn nur nicht verletzen, indem ich ihm wieder keinen Job gab, somit mein Wort brach und mein Gesicht verlor? Ich fühle mich wie der allerletzte A...!

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