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Freitag, 13. März 2015

3. Love (-Life) in Trinidad

Vorwort: das hier geschriebene gilt natürlich nicht für alle Männer, es gibt auch andere, wie überall!

Kerle sind überall gleich? Irrtum: alle Dreibeiner sind gleich, aber der männliche Trini ist „GLEICHER“ als alle anderen zusammen...

„That’s how we talk!“

Was uns wie ein Flirtversuch erscheint, ist hier allgemeine Redewendung! Die Anrede „Darling“, „Sweety“, „Hun“ ist weitverbreitet, egal ob Mann oder Frau, fremd oder bekannt. Komplimente gibt man gerne, schnell und oft!

Ich werde nie vergessen, als ich in den ersten Wochen meines Aufenthalts hier, mit meinem Schatzi in einer Schule vorsprach und er beim Abschied zur Direktorin sagte, was diese doch für ein bezauberndes Lächeln hätte. Ich hab gedacht, mich tritt ein Pferd und hätte ihm am liebsten die Augen ausgekratzt – ja ok - ihr auch!
Wie beiläufig lies ich dann die Bemerkung fallen, dass wir nicht hier seien, um zu flirten, da haben mich beide nur doof angeschaut, so in der Art: „was hat die denn jetzt gestochen?“... Schatzi meinte später, ich hätte ihn wohl blamiert, ts, ts, ts... Er wusste ja nicht, dass er richtig Glück hatte, weil ich nur 2 heimliche Nervositätswodkas und nicht 4 auf nüchternen Magen gekippt hatte... Dann hätte er nämlich erfahren, was das Wort „Blamage“ wirklich bedeutet ;-)!

Der Sammeltrieb der Männer

Hierzulande neigen die Herren der Schöpfung oft mehr zur Haremsbildung als zur Monogamie. Während die meisten (braven) Europäer doch erst mit der derzeitigen Partnerin Schluss machen, um eine neue Beziehung einzugehen, spart „Trini-Mann“ diesen „Cut“ lieber aus und fängt statt dessen an zu „sammeln“. Wir reden hier nicht von One-Night-Stands, die es natürlich auch gibt, sondern von der Beziehung, neben der Beziehung, neben der Beziehung, usw.

Wer in den einschlägigen Partner-Such-Seiten Trinidad-Singles abcheckt, wird ganz oft auf den Beziehungsstatus „Complicated“ oder „Open Relationship“ stossen.
„Complicated“ wird es dann, wenn die Ehefrauen erfahren, dass es sogenannte „Side-Chicks“ gibt - ebenso wissen auch die Partnerinnen in einer offenen Beziehung oft nicht, dass sie in einer solchen leben, sondern finden das irgendwann mal raus, wenn sie Glück haben. Glück braucht’s, denn das Trinimännchen ist seeeehr geschickt!

Ich habe niemals Männer gesehen, die einem so direkt und kackendreist ins Gesicht lügen können, wie unsere Pappenheimer hier. Dagegen sind Männer aus Nordafrikanischen Ländern die reinsten Lämmchen. (Wer jemals mit diesen zu tun hatte, weiss wovon ich rede und kann die Dimensionen meiner Aussage einschätzen.) Ich kenne keinen vergleichbar unschuldigeren, erstaunteren Gesichtsausdruck, wie den, des eigentlich ertappten Trinis, der sich allerdings keiner Schuld bewusst ist.

Die gute Nachricht: Ende 40 Anfang 50 beruhigt sich das, dann sind die „Jungs“ nämlich langsam zu bequem, um auf der ganzen Insel ihre Chicks abzuklappern und zu beglücken.

Ja und stolz sind wir auch...

Die Verhaltensweise bei Beziehungsstress ist auch anders, als wir Europäer das gewohnt sind. Bringt ein „Schlussmachen“ als Warnschuss den Europäer noch dazu Besserung zu geloben, sich zu entschuldigen, auf die Knie zu fallen und um Vergebung zu winseln, ist der Trini-Mann verschwunden und zwar schneller, als dass man schauen kann.
Schluss machen ist hier etwas unwiderrufliches, da wird nicht mehr verhandelt!

Positives: wenn man sich für einen Fehler entschuldigt, sind sie ganz schnell versöhnt ohne langen Hin- und Her-Theater oder irgendwelchen Auflagen zur Besserung.
Negatives: dasselbe wird auch von Frauen erwartet!
Und: Diskussionen über irgendwelches Fehlverhalten lohnen sich nicht! Der Spiess wird solange umgedreht, bis die Frau endlich verstanden hat, dass sie die einzig Schuldige am ganzen ist.
Ein Beispiel: man hat ein Date und Trini-Mann erscheint nicht. Beschwer dich bei ihm darüber und die Antwort könnte sein (absolut zusammenhanglos): egal was ich tue, dir kann man sowieso nichts recht machen! Bum! Nach einiger Zeit gewöhnt man sich ab, etwas ausdiskutieren zu wollen, denn an Mr. Teflon prallt alles ab!

Die Art der Werbung

Das Trinimännchen drückt sich im allgemeinen sehr zärtlich aus, wenn es mit Frau oder Freundin spricht, jedoch meist nur in trauter Zweisamkeit. In der Öffentlichkeit ist etwas mehr Zurückhaltung angesagt. Schmusen und Küssen auf der Strasse z.B., wird hier nicht sehr geschätzt und meist unterlassen.
Koseworte für „Mädels“ wie Sugar-Plum, Pumpkin und ähnliches, sind hier die normale Anrede für die Partnerin. (Achtung: bei doppelsilbigen, gleichlautigen Ausdrücken handelt es sich meist um ein Synonym für DAS weibliches Geschlechtsmerkmal, also besser nicht merken und wiederverwenden!)

„Mann“ schleppt alles an, was das Weibchen eventuell beeindrucken könnte: Früchte, Süssigkeiten - eigentlich jegliche Art von Essen – das soll vielleicht heissen: schau her Weib, ich kann dich ernähren!

Die meisten Männer hier kochen recht gut, dieses Bemühen wird jedoch etwas später wieder eingestellt, also nicht zu früh freuen! 
„Mann“ nimmt sich zu Anfang viel Zeit und bringt für alles eine Engelsgeduld auf - solange bis das Weibchen erobert ist. Dann kommt oft der Macho ans Tageslicht: ich hab Hunger, ich hab Durst, mach mal, tu mal! In der Schweiz sagt man dem „Gango“ - tolles Wort, passt genau!

Aber es gibt immer wieder Zeiten, in denen Frauen total verwöhnt und mit Aufmerksamkeit und Verständnis regelrecht überschüttet werden.

Der Liebesakt 

Kommt es zu Sex, kann sich die Dame freuen, denn der Trini-Mann ist ein sehr fantasievoller, ausdauernder und einfühlsamer Liebhaber. Im Vordergrund steht einzig allein das Wohlbefinden der Frau und dafür tut er wirklich ALLES. Also ein echter Glückfall!

Zuverlässigkeit

„I’ll call you later“, „ich rufe dich später an“, hat nicht die Bedeutung, dass dies noch am selben Tag stattfindet. „Later“ kann sein in 5 Minuten – aber auch in 5 Jahren – oder nie! Später halt!

„Later“ kann jeder für sich selbst definieren, das musste ich auch erst lernen.
Als ich noch in der Schweiz lebte und mit Schatzi oft nur über Skype kommunizieren konnte, habe ich manchmal echt geflucht, als er sich die ganze Nacht nicht gemeldet hat, obwohl er mir am Nachmittag über den Messenger zu verstehen gegeben hatte, dass er sich „later“ über Skype meldet. Ich war manchmal extra zu Hause geblieben, während sich Freunde und Bekannte irgendwo im Ausgang getroffen und amüsiert haben und dementsprechend geknickt!
Ich weiss noch, in dieser Zeit entstand das Kosewort „blöder Arsch“! Das waren dann auch die Worte, die Schatzi sich zuallererst gemerkt hat. Danach kam „mein Arsch tut weh“ (das sagte ich oft nach dem langen Flug bei Besuchen), „Blödmann“, „Oberarsch“ und (endlich mal was normales) „wie geht es dir“, diese Frage beherrscht er allerdings noch immer nicht perfekt... Mit „blöder Arsch“ meldet er sich oft noch heute am Telefon – ok, wir finden das beide lustig und hier versteht’s eh keiner ;-)!

Wer hier mit einem Einheimischen ein Date ausmacht und pünktlich bereit steht, wird meist nur beim ersten Mal nicht enttäuscht. Danach kann man schon mal ein oder zwei lockere Stündchen einkalkulieren, bis der Erwartete auftaucht, wenn überhaupt. Pünktlich ist hier so gut wie niemand – es wird aber auch nicht von anderen erwartet. Falls Frau mal nicht bereit ist, wird diskussionslos, ohne ein böses Wort, Ewigkeiten gewartet – immer! Was in unseren Breitengraden wirklich das KO eines Abends einläuten könnte, wird hier gar nicht als etwas Negatives zur Kenntnis genommen.

Also wenn man nicht sicher ist, ob das Date überhaupt klappt, einfach abwarten, bis er da ist und nicht vorher anfangen sich parat zu machen... Er wird warten!

(Mein) Fazit

Im Grossen und Ganzen ist es also ein recht ausgeglichener Deal, falls man sich hier auf eine Beziehung einlässt! Vor- und Nachteile gibt es überall auf der Welt und diese halten hier so einigermassen die Waage. Perfektes wird mit der Zeit oft langweilig und Langeweile kann eine Beziehung auch zum Erliegen bringen.

Wenn man also in der Lage ist, die guten Dinge zu geniessen 
ohne zu viel Druck auszuüben, keine zu hohen Erwartungen zu stellen und etwas Geduld aufbringt, kann man mit diesem Mann an der Seite durchaus glücklich sein.

Für mich auf jeden Fall „Thumbs up!“


Montag, 9. März 2015

2. Rastaman - oder wie man sich selbst ein Bein stellt

So, da sitze ich nun in meinem Schlafzimmer und beobachte Rastaman, der mein Auto wäscht, auf dem Monitor der Überwachungskameras, anstatt wie geplant im Fitnesscenter outzuworken... Wie habe ich mich da schon wieder hineinmanövriert?

Wie alles anfing...

Auf meinem Balkon sitzend, meine Zeit wie meistens morgens am Notebook mit schnöder Arbeit vertreibend, hörte ich plötzlich ein Rufen aus meinem Vorgarten: „Good morning Mam!“ Als ich aufblickte sah ich einen Rastaman schon etwas fortgeschrittenen Alters, der zu mir aufblickte. „Any work for me Mam?“ fragte er und mir wurde klar, dass es einer jener Männer war, die ihre Dienste günstig bei Privatleuten anbieten, um über die Runden zu kommen. Im Allgemeinen sind diese sehr bemüht, Arbeiten, welche man ihnen überträgt, auch ordentlich auszuführen. Ordentlich? Ok, was man hier in Trinidad und Tobago halt so darunter verstehen mag...

Diese Leute haben natürlich auch keine Möglichkeit Ihren Service mit dem anderer Länder zu vergleichen. Flugtickets sind für die meisten Menschen hier unerschwinglich und eine Reise in die USA oder womöglich sogar nach Europa, ein nicht zu realisierender Traum. Schade eigentlich, jeder sollte reisen können, das bildet und erweitert den Horizont ungemein. So einigen Mitmenschen würde das nicht unbedingt schaden und damit meine ich nicht unbedingt die Trinbagonians...

Da ich jedoch am nächsten Tag für vier Wochen nach Deutschland und in die Schweiz reisen wollte, um Familie und Kunden mal wieder zu nerven, fand ich nicht, dass es Sinn machte, Rastaman grade heute mein Auto waschen zu lassen, welches in der halboffenen Garage sowieso wieder schmutzig würde, bis ich zurück kam. Für den Garten sorgt ein Gärtner. So gab ich ihm ein kleines Trinkgeld und bat ihn, doch nach meiner Rückkehr an einem Samstag wieder zu kommen. Ein sauberes Auto schadet ja nie. Irgendwie finde ich auch, dass man Leute, die versuchen, sich mit Aushilfsjobs über Wasser zu halten und sich für keine Arbeiten zu schade sind, unbedingt unterstützen sollte, sofern es einem möglich ist.

Gesagt getan – „pünktlich“, nachdem ich bereits 6 Wochen wieder hier war, stand Rastaman erneut auf meinem Rasen – Mittwochs! Man hatte ihm unten im Supermarkt erzählt, dass ich wieder da sei.. „Ups“, dachte ich mir, „du bist hier bekannt!“ Ein gutes Gefühl, dass man nicht verloren gehen kann. Die wissen genau, wo man mich beim eventuellen Verlust meines Gedächtnisses abgeben müsste... Das gibt doch Sicherheit!

Rastaman hatte Hunger, also bekam er zwei Sandwichs und eine Cola. Die Autowäsche versprach ich ihm für einen der folgenden Samstage, wenn er mal wieder in der Gegend sei. Geld gab es diesmal aber keins.



Und er war in der Gegend!

Keine Ahnung, wie er es geschafft hatte, trotz geschlossenen Automatik-Tor, aufs Grundstück zu gelangen aber er war da. Direkt am ersten Samstagmorgen um 7.30 Uhr stand er auf der Matte.

Ich duschte gerade und wollte mich danach auf den Weg zum Fitnesscenter machen, als ich ihn hörte: „Good morning“ – „Good morning“ – „Good morning“ – bestimmt zwanzig mal rund ums ganze Haus. Menno, das passte mir jetzt aber überhaupt nicht, ich brauchte doch mein Auto! Was nun?

Ok, versuchen wir’s mal mit Ignorieren, der wird sicher irgendwann aufgeben! Aber auch nach 10 Minuten hörte er nicht auf zu rufen und weckte so meinen Untermieter Felix auf. Felix, halb verschlafen, war gerade auf dem Weg um die Türe zu öffnen, als ich ihn gerade noch rechtzeitig am T-Shirtzipfel erwischte und zurückhalten konnte. Ich sagte ihm, er solle Rastaman einfach erklären, dass ich nicht da sei. Ich verschwand derweil in mein Schlafzimmer im ersten Stock und beobachtet das Geschehen über die Überwachungskameras, aus sicherer Entfernung und fühlte mich irgendwie wie ein Schwein! Ein grosses!



Plötzlich sah ich, wie Felix mein Auto aus der Garage fuhr und Rastaman den Schlauch sowie den Eimer mit dem Autoputzzeug in die Hand drückte – und ich konnte nichts dagegen unternehmen, Mist! Dass Männer sich nicht mal an die einfachsten Anweisungen halten können, Meeeeensch!

Und nun hocke ich da - noch immer in meinem Schlafzimmer-Knast! Rastaman hat mit Hingabe über einen Stunde lang mein Auto gewienert, sich danach noch in aller Ruhe sein Velo vorgenommen und dann wurde sich noch ein entspannendes Päuschen auf meinem Gartenstuhl gegönnt, um an der nahen Steckdose das Handy aufzuladen.

Untermieter Felix hat heute Schule und sich deshalb bereits vor einer Weile verabschiedet. Er hat Rastaman bezahlt bevor er ging – Ordnung muss ja sein und ausserdem lag ja praktischerweise mein Portemonnaie in der Küche.

10 Uhr – er sitzt noch immer da draussen.

Und ich immer noch hier drin!

Warum das Ganze? Feigheit? Bequemlichkeit? Oder wollte ich ihn nur nicht verletzen, indem ich ihm wieder keinen Job gab, somit mein Wort brach und mein Gesicht verlor? Ich fühle mich wie der allerletzte A...!

1. Wie alles begann - Goodbye Switzerland!


Schon mal daran gedacht auszuwandern? Wenn mal wieder alles zu viel wird, das Wetter nur noch beschissen ist und einem die Decke auf den Kopf fällt? Das Gefühl von Ausgebrannt sein, innerer Leere, man kommt gar nicht mehr richtig in die Gänge und kann die Energiereserven nicht auftanken? Ich sehe, das kommt einigen von euch bekannt vor... Irgendwann war da bei mir nur noch ein Gedanke: es reicht! Nix wie weg!



Der Startschuss fiel...

Das Schicksal half diesem Vorhaben etwas nach, als vor 7 Jahren mein Ex-Mann (ja wir waren zu dem Zeitpunkt schon seit vielen Jahren getrennt und sind dann irgendwann auch mal geschieden worden) starb und eine monatlich Witwen- und Halbwaisenrente regelmässig auf mein Konto floss. Mein erster Gedanke: das Leben ist gerecht! Nicht, dass ich ihm nicht ein langes und glückliches Leben gegönnt hätte - Gott bewahre – aber, dass ich jetzt für alles entschädigt wurde, fand ich klasse! Hinterbliebenenrenten sind ‛ne tolle Sache!

Im März 2013 standen wir dann endlich mit gepackten Koffern am Flughafen Frankfurt.



Bin ich mutig? Keinesfalls...

Und nun war ich tatsächlich angekommen: in Trinidad und Tobago. Mit mir mein jüngstes Töchterlein, im stark pubertierenden Alter von 12 Jahren. Vier grosse und zwei kleine Koffer, bildeten den spärlichen Rest unserer Habe.

Bekannte und Freunde fanden mein Vorhaben sehr mutig. Aber ehrlich Leute, ist es nicht viel mutiger in der Schweiz oder im restlichen Europa zu bleiben, mit dem Wissen, dass die Rente irgendwann sowieso nicht reichen wird, obwohl man immer gearbeitet hat? Alleine in irgendeiner Wohnung zu verschimmeln, weil die Kinder ihr eigenes Leben führen, was natürlich deren unbestrittenes Recht ist? Aber was ist das denn für ein Leben? Nein, danke! Nicht für mich!
Man verzeihe mir, dass ich mit 49 noch nicht mit dem Leben abgeschlossen und mich in mein Schicksal gefügt hatte. Das kann nämlich noch nicht alles gewesen sein, da kommt noch was, da war und bin ich mir immer noch sicher!



Mobil muss man sein...

Unsere erste Bleibe: ein von mir per Internet angemietete Ferienhaus am Stadtrand, 100 m von der Mall und einem Supermarkt entfernt. Ideal! Von dort aus ergatterte ich einen kleinen Gebrauchtwagen – viel zu teuer für meinen Geschmack aber Autos kosten hier das doppelte und mehr, als wir es von der Schweiz gewohnt sind zu bezahlen - und ein tolles Häuschen direkt zwischen City und dem schönsten Strand, den Trinidad zu bieten hat: Maracas! Ein Haus auf einem Felsen, denn die Vorstellung, nachts von einer Flut überrascht zu werden, machte mich seit den schrecklichen Bildern des Tsunamis von 2004 schon recht nervös.


Linksverkehr...

Eine recht grosse Challenge kam dann ja erst noch: das so teuer erworbene Fahrzeug hier auch zu fahren. Es herrscht nämlich Linksverkehr, der Fahrer sitzt also rechts. Mein schadenfrohes Töchterlein fing immer an zu kichern, wenn ich mal wieder beim Abbiegen den Blinker mit dem Scheibenwischer verwechselte. Sah wahrscheinlich auch zu blöde aus, wenn ich sie mit laufenden Scheibenwischern, bei strahlendstem Sonnenschein und 33°C, vor der Schule absetzte. Als Reaktionstest sorgen schlaglochdurchzogene Strassen dafür, dass man beim versehentlichen Hineinfahren durchaus mit einem Achsenbruch rechnen darf, na oder zumindest mit einem Platten. Überholt wird kreuz und quer, rechts und links – Verkehrsregeln gibt es zwar, diese scheinen jedoch noch nicht im Bewusstsein des Auto-Endverbrauchers angekommen zu sein. Und ich mit meinem Kleinwagen, welcher hier sowieso nur müde belächelt wird - fährt hier der weisse Ausländer, der was auf sich hält doch eher Protzkarre oder Pick-up - mitten im Strassenverkehrs-Kriegsgebiet! Täglich um 7 Uhr morgens musste Töchterlein in die 10 km entfernte Internationale Privatschule gebracht werden, um 14 Uhr durfte ich sie wieder abholen. Dieses Kindertransportprogramm ist hier so üblich. Somit wusste ich bereits morgens um 8 Uhr, nachdem ich anfänglich angstschweissgebadet wieder zu Hause ankam, was ich geleistet hatte.



Fortbewegung auf den Inseln...

Ohne eigenes Fahrzeug geht hier gar nichts. Öffentliches Verkehrsnetz – Fehlanzeige! Maxi- und PKW-Taxis sowie Privatwagen, welche versicherungsschutzfrei auch Personen befördern, können an den Haupstrassen mit Handzeichen angehalten werden. Der Zugverkehr wurde in den 60ern eingestellt.

Das Gute an der „Sache Auto“: mit 15 US$ tanke ich voll, der Service mit Ölwechsel kostet 80, die jährliche Autoversicherung 190 USD, Steuern zahlt man einmalig bei der Zulassung mit 10% vom Fahrzeugpreis. Schlagende Argumente, die zum Selbstfahren animieren!


Mögliche Problematiken:

1.    Führerschein
Man darf 90 Tage mit dem Ausländischen, gekoppelt mit dem Internationalen Führerschein, hier selbst fahren. Danach wird’s kritisch, da muss das Dokument nämlich umgeschrieben werden und das geht nur mit gültigem Aufenthaltstitel, sprich Work Permit, Studenten Permit oder ähnlichem. Man muss dann auf der Zulassungsstelle die schriftliche Fahrprüfung ablegen. Ist easy und jede Menge Fehler erlaubt.
Gelingt es einem nicht innert 90 Tagen einen Aufenthaltstitel zu erhalten, muss man den Führerschein komplett neu machen.

2.    Aufenthalt
Bei der Einreise (Rückflugticket oder Security-Deposit ist unumgänglich) gibt’s 90 Tage. Will man verlängern wird’s kompliziert und zwar so kompliziert, dass ich danach schon fast im Flieger zurück sass. Man kann sich das ähnlich, wie in den USA vorstellen. Am ehesten klappt’s mit einer eigenen Firma.

Traut keinem Polizisten und keinem Anwalt. Die Gefahr, dass einem Quatsch erzählt oder man einfach nur angelogen wird, ist hoch. Ohne gutes Beziehungsnetz geht hier, wie fast überall, gar nichts.

3.    Jobs
Die Barrieren sind sehr hoch und der Amtsweg für ein Workpermit kompliziert. Wie fast überall sollen zuerst die Nationals eingestellt werden. Wer hier noch nicht längere Zeit lebt und keine Erfahrung mit der Arbeitsweise in der Karibik hat, könnte an der trägen Lässigkeit der Menschen verzweifeln.

4.    Preise
Es ist fast alles teurer als in der Schweiz! Budget gut berechnen!
Die internationalen Privatschulen für die Kids kosten zwischen 800 und 1'500 US$ im Monat! Beim Eintritt des Kindes ist ebenso in eine Foundation einzubezahlen, das Geld gibt’s definitiv nicht zurück, egal, wie lange die Kinder bleiben. Beträge: von 4'000 US$ aufwärts, also keine Kleinigkeit! Und Schulbusse stehen nicht zur Verfügung, somit muss immer jemand als Chauffeur zur Verfügung stehen. Ich war täglich 1.5 – 2 Stunden nur im Auto, um Töchterchen in die Schule zu fahren und abzuholen. Schulmaterial muss man selbst organisieren und bezahlen. Es gibt hierfür eine Liste pro Schuljahr.





5.    Kriminalitätsrate
Die ist hier sehr hoch. Allerdings ist das hauptsächlich Drogenkriminalität, die bringen sich meist gegenseitig um. Wenn man nicht unbedingt des Nachts in einsamen Gassen rumschleicht oder sich an Orte begibt, vor denen ausdrücklich gewarnt wird, ist man relativ sicher.
Wir weissen Ausländer wohnen in gated Communities, was man sich leisten können muss. Da bezahlt man für eine 2-3 Bedroom Appartement oder Haus schon mal gerne 1'600 – 2'000 US$ zuzüglich Strom und das sind die günstigeren Preise. Downpayment von min. einer Monatsmiete ist üblich.

6.    Autokauf
Autos sind hier schweineteuer. Man kann vom 2-3-fachen Deutschen oder Schweizer Gebrauchtwagenpreis ausgehen. Selbst importieren nutzt auch nichts, da eine riesige Einfuhrsteuer bezahlt werden muss, die die Autos eben so teuer werden lässt. Dementsprechend wird hier alles so lange als möglich immer wieder zusammengeflickt - es sind haufenweise Schrottmühlen unterwegs.



Was it worth it?


Morgens gegen 6 Uhr, wenn der Tag erwacht und ich die Balkontüre öffne, jeden Ton der vielfältigen, stimmgewaltigen und farbenprächtigen Vogelwelt der Insel in mir aufsauge, auf das Grün der Hügel blicke, mit offenen Fenstern die schmalen Strässchen durchs Grün des Regenwalds nach Maracas Bay flitze, mein Asthma vergessend, ganz tief Luft holen kann und freundliche, offene Menschen mich bedingungslos akzeptieren – ja, das genügt mir, um mich hier zu Hause zu fühlen.